Ein Haus in Bali by Colin McPhee

Ein Haus in Bali by Colin McPhee

Autor:Colin McPhee [McPhee, Colin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Bali, Musik, Indonesien, Asien
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-10-16T16:00:00+00:00


Sampih

Kurz nachdem die Kulis mit dem Hausbau begonnen hatten, war ich ihm das erste Mal begegnet.

Eines Nachmittags war ich den Abhang zum Fluss hinabgegangen und auf die andere Seite gewatet, um an den nur wenige Meter über dem Wasserspiegel endenden Reisfeldern entlangzuspazieren. Eine Schar kleiner Jungen planschte in der Flussmitte und hüpfte von Fels zu Fels. Ihre nasse braune Haut glänzte in der Sonne, während sie im Übermut der Nacktheit auf und ab tanzten. Äußerst wild, flink und verrückt, ähnelten sie einem Baum voller Affen.

Der Fluss war an dieser Stelle seicht, doch weiter oben stieg er über stufenförmige Wasserfälle an und verschwand dann zwischen zwei Felswänden. Diese Flüsse können nach plötzlichen schweren Regenfällen in den Bergen rasch anschwellen. Sie wirken ruhig, doch schon im nächsten Moment kann unversehens mit Brausen und Tosen eine Flutwelle herabstürzen, einen tieferen Graben in den Boden schneiden und Bäume, Vieh, ja sogar Menschen mit sich fortreißen.

Ein solches Hochwasser ereignete sich, als ich am Flussufer entlangwanderte. Ein schwarzer Himmel hing über den Bergen, und dann ertönte plötzlich ein warnendes Grollen in der Schlucht. Die Kinder hörten es sofort und sprangen an Land. Es war keine starke Flut, der Fluss stieg bloß um etwa einen Fuß an, als er in schlammigen wirbelnden Strudeln herabstürzte. Ich kehrte um, denn es schien leicht, watend und springend auf die andere Seite zu gelangen, doch bald befand ich mich im tiefen Wasser mit sehr starker Strömung. Die Kinder schrien mir vom Ufer her aufgeregte Anweisungen zu, aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. In diesem Moment stürzte ein besonders unbändiger Knabe, der mir schon als treibende Kraft aufgefallen war, mit einem Satz ins Wasser, schwamm zu einem Felsblock und sprang von dort aus zu der Stelle, wo ich mit den Fluten kämpfte. Er kannte die seichten und tiefen Stellen im Flussbett in- und auswendig. Er zeigte mir, wo es langging, und schrie, um mich vor Fehltritten zu warnen; so führte er mich schnell an Land. Obwohl ich nur jedes zehnte Wort verstand, sagte mir der Tonfall seiner Stimme genug. Am Ufer standen wir uns gegenüber, der tropfnasse nackte Junge und ich. Er mochte etwa acht Jahre alt sein, war unterernährt und dünn, mit übergroßen Augen im schmalen Gesicht, die kühn und leicht spöttisch blickten. Ich bot ihm eine Zigarette an, aber er kriegte plötzlich Angst und floh ins Wasser, bevor ich ein Wort sagen konnte.

Es dauerte eine Woche, bis ich ihn wiedersah. Ich war hinübergegangen, um mit Gusti Lusuh über das Haus zu reden. Mehrere Kinder standen herum und schauten den Kulis zu. Sie flohen bei meinem Anblick, aber ich hatte unter ihnen bereits meinen Führer von letzter Woche erkannt.

»Wer ist er, der Größte?«

»Ein kleiner Kerl aus der Schlucht da unten. Er lebt in einer Feldhütte.« Gusti Lusuh zeigte auf eine Ansammlung winziger Hütten unten im Tal und fügte verdrossen hinzu: »Ein kleiner Dieb!«

»Wie heißt er?«

»I Sampih.«

Als ich ihm das nächste Mal begegnete, war er allein. Er zögerte einen Augenblick, während ich den Weg hinabstieg, er beobachtete mich, taxierte jeden meiner Schritte.



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